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Nierenfunktion – Versicherungsrechtlich

Zusammenfassung:

Behinderung gemäß SGB IX

Nach Verlust einer Niere ist ein Spender versorgungsrechtlich als behindert einzustufen und hat Anspruch auf Anerkennung eines GdB (= Grad der Behinderung).

Die entsprechenden Bescheide der Versorgungsämter lauten in etwa so:

Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere bei Gesundheit der anderen Niere: GdB 25

Kommt es jedoch zusätzlich zur eingeschränkten Nierenfunktion der verbleibenden Niere nach der Spende, kann ein höherer GdB in Abhängigkeit der Schwere der Funktionseinschränkung zuerkannt werden.

Gesetzliche Unfallversicherung gemäß SGB VII

Ein Bescheid aus 2015 der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (AZ 2012.046558 – 11F74) stellt klar:

Unterhalb einer Nierenfunktion von 60 ml/min nach einer Nierenlebendspende ist der Spender unfallversicherungsrechtlich zudem erwerbsgemindert (Minderung der Erwerbsfähigkeit / MdE mindestens 20 %) und hat Anspruch auf eine entsprechende Unfallrente.

Generell stellt ein Funktionsverlust nach Nierenspende nach unserer Auffassung auch oberhalb von 60 ml/min einen versicherungsrechtlichen Unfallschaden dar.

Herleitung:

Versorgungsrechtlicher Anspruch

Mit dem Grad der Behinderung wird die Beeinträchtigung in allen Lebensbereichen definiert. Der Verlust einer Niere führt grundsätzlich zu einem GdB von 20 bis 30. Ist die verbleibende Nierenfunktion, wie häufig nach einer Nierenlebendspende, eingeschränkt, kann ein höherer GdB zuerkannt werden.

Zusammen mit ggf. weiteren Erkrankungen kann dies zu einem GdB führen, der weitere Ansprüche wie eine vorzeitige Altersrente oder steuerrechtliche Vergünstigungen zur Folge haben kann. Der Antrag auf die Anerkennung eines GdB ist bei den zuständigen Versorgungsämtern der (Land-)Kreise oder Städte zu stellen.

Ein Unfallkassen-Bescheid ergibt Klarheit

Vom Grad der Behinderung (GdB) ist die „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ (MdE) zu unterscheiden. Die MdE definiert die Beeinträchtigung im Erwerbsleben.

Ein Bescheid aus 2015 der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen 2012.046558 – 11F74) lautet:

„…das Ereignis vom XX.XX.201X wird als Arbeitsunfall anerkannt. Ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit besteht ab dem XX.XX.201X nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. in Höhe von zurzeit XXX € monatlich.

Begründung: Als Folge Ihres Unfalls werden anerkannt: Chronische Niereninsuffizienz Stadium 3“

Als „Ereignis“ wird hier eine Nierenlebendspende bezeichnet. Damit ist klar:

Ein Nierenlebendspender, der nach dem Verlust einer Niere mit einer Nierenrestfunktion von weniger als 60 ml/min leben muss, hat – altersunabhängig – Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallkasse. Es wurde eine MdE von 20 anerkannt. Die Rente wird ab dem Tag nach der Nierenlebendspende gezahlt.

Da bisher seitens der evaluierenden Transplantationsmediziner von Funktionsgrenzen ausgegangen wird, die sehr häufig sofort nach Entnahme einer Niere oder später zu einer Restfunktion der verbleibenden Niere von weniger als 60 ml/min führen, sollte dieser Bescheid zu einer drastischen Änderung der Evaluation und Aufklärung von Nierenlebendspendern führen.

Zahlreiche Nierenlebendspender betroffen

Zur Zeit sind je nach Quelle zwischen 12 % und 45 % der Spender aufgrund der zu niedrigen Nierenfunktion nierenkrank (GFR < 60 ml/min = CKD III) und leiden zum großen Teil an den entsprechenden Folgen wie Leistungsverlust, schnellere Ermüdung oder dauerhafte Müdigkeit und Erschöpfung, Hypertonus und sonstige kardiovaskulärer Erkrankungen, die auch zu einem signifikanten Anstieg der Sterberate (Studie hier) unter ehedem gesunden Spender führen. Eine zunehmende Nierenschwäche bzw. Nierenerkrankung kann zu „fatigueartigen Symptomen“ führen, ähnlich dem sogenannten Chronic Fatigue Syndrom (Studie hier).

Nicht alle Nierenlebendspender haben klare Ansprüche

In Deutschland können diese Spender gesetzliche Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen. Für Spender, die formal einer Nierenfunktion oberhalb von 60 ml/min haben, ist trotz spürbarer Leistungsminderung und weiterer Einschränkungen der Nachweis eines „Unfallschadens“ durch die Nierenlebendspende dennoch möglich, da es auf die individuellen Folgen des Nierenverlustes ankommt. Gerade im Grenzbereich werden je nach Messmethode und Berechnungsformel Nierenfunktionswerte knapp unter und über 60 ml/min ermittelt. Im Zweifel sollte eine Berechnung mit der sogenannten MDRD-Formel durchgeführt werden, da diese laut zweier Studien ausdrücklich für die Verwendung bei Nierenlebendspendern empfohlen wird. (Studie 1 und Studie 2 dazu). Die neuere CKD-EPI-Formel liefert auch realitätsnahe Ergebnisse und wird als die exaktere Methode bezeichnet.

Jeder Fall wird individuell beurteilt und bei der Bearbeitung durch die verschiedenen Unfallkassen und Berufsgenossenschaften wird vermutlich nicht jede Nierenfunktion von unter 60 ml/min nach einer Nierenlebendspende automatisch als „nierenkrank“ eingestuft und einen entsprechenden Bescheid mit einem Rentenanspruch erlassen.  Eine eindeutige nephrologische Diagnose nach den KDIGO-Kriterien ist allerdings nicht widerlegbar. Allerdings schließt das nach unserer Auffassung auch nicht den Regulierungsanspruch als Unfallschaden aus, wenn die Restnierenfunktion über 60 ml/min beträgt. Denn es entsteht immer ein individueller Schaden. Hier ist anwaltliche Hilfe erforderlich. Wir beraten hierzu gerne. In der Praxis ist die Auseinandersetzung mit den Unfallkassen in erheblicher Weise zeit- und kostenintensiv, da diese bemüht sind, jeden Anspruch abzuwehren.

Fazit

Die Entnahme einer Niere kann führt also nicht nur zur versorgungsrechtlichen Behinderung nach dem SGB IX (GdB 25), sondern, sofern nach der Nierenentnahme sofort 60 ml/min (CKD III) unterschritten werden und nach unserer Auffassung auch wenn später das Stadium III (CKD III) einer Nierenerkrankung erreicht wird, zur unfallversicherungsrechtlichen Erwerbsminderung (MdE von mindestens 20) mit entsprechendem Rentenanspruch gemäß dem SGB VII (Bescheid der Unfallkasse NRW (AZ 2012.046558 – 11F74).

Aber generell stellt ein Funktionsverlust nach Nierenspende nach unserer Auffassung einen versicherungsrechtlichen Unfallschaden dar. Jeder Funktionsverlust führt zu gesundheitlichen ansteigenden Risiken und ist somit eine Beschädigung. Das wird seitens der Transplantationskliniken natürlich heftig bestritten, obwohl es dennoch Empfehlungen zur Ernährungs- und Verhaltensumstellung gibt.

Diese Fakten gehören in die Aufklärung der Kliniken.

(Nierenfunktion – Zusammenfassung hier oder oben recht klicken >)

Bearbeitet: Ralf Zietz, 1. Vorsitzender IGN e. V.
Redaktion: Martin Wittke, Rechtsanwalt und Beirat IGN e. V., Gisela Müller-Przybysz, 2. Vorsitzende IGN e. V, Christiane Geuer, Vorsitzende Ausschuß gesundheitliche Risiken IGN e. V.

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