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Versicherungsrechtliche Informationen

Die nachfolgenden Informationen zum Versicherungsschutz bei Nierenlebendspende geben einen Überblick über die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen des Kranken- und Unfallversicherungsschutzes, der Erwerbsminderungsrente und dem Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht. Sie sollen dazu dienen, (potentielle) Organlebendspender, insbesondere Nierenlebendspender, zu informieren und einen ersten Einblick in die rechtlichen Normierungen und Wirkweisen zu gewähren. Zu den einzelnen rechtlichen Gesichtspunkten finden sich essentielle Hinweise, die zu beachten sind.

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Krankenversicherungsschutz während der Organlebendspende (SGB V)
Für die Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Organlebendspende stehen, ist die Krankenkasse des Organempfängers zuständig. Dazu gehören sämtliche Kosten der Krankenbehandlung, Kosten der medizinischen Rehabilitation, Lohnersatzleistungen als Krankengeld und Fahrtkosten. Zuzahlungen muss der Spender nicht leisten.

Das vor der Organlebendspende regelmäßig erzielte Nettoeinkommen wird in voller Höhe, bis zur gesetzlichen kalendertäglichen Bemessungsgrenze, erstattet.

Hinweis
Spender mit höherem regelmäßigem Einkommen müssen mit Einbußen rechnen.

Für die ersten sechs Wochen hat der Spender, sofern er Arbeitnehmer ist, einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber seinem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber wiederum hat einen Anspruch auf Erstattung in voller Höhe inklusive des Arbeitgeberanteils an den Sozialkosten gegenüber der Krankenkasse des Empfängers.

Hinweis
Es wird dringend empfohlen vor der Organlebendspende mit der Krankenkasse des Empfängers die Leistungen schriftlich zu fixieren und insbesondere eine Zusage zur Rehabilitationsmaßnahme (Reha) einzuholen.

Leider wird immer wieder berichtet, dass Mitarbeiter der Krankenkassen über die Ansprüche der Spender unzureichend informiert sind. Das „Gemeinsame Rundschreiben vom 25.09.2015 zu den leistungsrechtlichen Ansprüchen bei einer Organspende“ vom GKV-Spitzenverband und weiterer Verbände der gesetzlichen Krankenkassen ist ein Leitfaden, an den sich die Mitarbeiter der Krankenkassen halten müssen.

Download Gemeinsames Rundschreiben Spende

Zu Ansprüchen auf Anschlussheilbehandlungsmaßnahmen (AHB) und Reha hat die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) ein Merkblatt veröffentlicht. Dies kann als Grundlage für die Gespräche mit der Krankenkasse des Empfängers herangezogen werden.

Download AHB- und Reha-Behandlungen Merkblatt der DTG

Der Spitzenverband der privaten Krankenkassen (PKV) hat eine Selbstverpflichtungserklärung veröffentlicht. Die PKV ersetzt gemäß dem Wortlaut der Selbstverpflichtung, anders als die gesetzliche Krankenversicherung, den Ausfall des Nettoeinkommens ohne Höchstbegrenzung.

Download Selbstverpflichtung PKV

Bei komplikationslosem Verlauf einer Nierenlebendspende beträgt die Arbeitsunfähigkeit nach Seite 53 des gemeinsamen Rundschreibens vom 25.09.2015 sechs Wochen und bei schwerer körperlicher Tätigkeit 12 Wochen.

Sofern im Verlauf der Organspende oder auch später in Folge der Spende ein Gesundheitsschaden auftritt, welcher über die regelmäßig entstehenden Beeinträchtigungen hinausgeht und mit der Organspende im ursächlichen Zusammenhang steht, liegt ein Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vor. Spätestens dann endet der Anspruch gegenüber der Krankenkasse des Empfängers und die Unfallkasse (UK) wird eintrittspflichtig. Da die Bearbeitung bei den UK Zeit in Anspruch nimmt, übernimmt bis zur Klärung der Zuständigkeiten die Krankenkasse des Spenders die Behandlungskosten. Diese kann sie nach Anerkennung der gesundheitlichen Folgen der Organlebendspende als Gesundheitsschaden durch die UK bei dieser zurückfordern. Solange es sich also nicht um einen anerkannten Gesundheitsschaden nach dem SGB VII handelt, werden die Beeinträchtigungen als Folgeerkrankung bezeichnet.

Unfallversicherungsschutz bei Gesundheitsschaden (SGB VII)
Kommt es in Folge der Organlebendspende zu einem Gesundheitsschaden – auch in einem größeren zeitlichen Abstand zur Spende – ist der Spender kraft Gesetzes bei der für die Entnahmeklinik zuständigen Berufsgenossenschaft bzw. UK versichert. Für Kliniken in Landesträgerschaft sind es die jeweiligen Landesunfallkassen, für privat geführte Kliniken die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.

Hinweis
Es empfiehlt sich vor der Organlebendspende die zuständige UK in Erfahrung zu bringen.

Der Gesetzgeber wollte die Beweislast für den Spender durch § 12a SGB VII vereinfachen. Allerdings ist die Norm sprachlich misslungen, so dass es entgegen dem gesetzgeberischen Willen zu Abwehrverhalten der zuständigen UK kommen kann, weil die Auslegung der Norm problembehaftet ist. Grundsätzlich soll die UK nachweisen, dass der Gesundheitsschaden nicht auf die Organspende zurückzuführen ist.

Hinweise
Beeinträchtigungen, die aufgrund der Organspende regelmäßig zu erwarten sind, wie zum Beispiel der Nierenverlust selbst, werden nicht berücksichtigt. Ein Nierenfunktionsverlust wird voraussichtlich nur dann anerkannt, wenn er über das übliche Maß (ca.> 30 %) hinaus eintritt.

Um die Anerkennung eines Gesundheitsschadens in Folge einer Organlebendspende zu erhalten, bedarf es einer entsprechenden Diagnosestellung durch einen Arzt. Auch ohne Diagnose kann ein Verfahren bei der UK eröffnet werden. Die UK wird in jedem Fall Begutachtungen durchführen lassen.

Hier ist mit hohem Widerstand seitens der UK und Gutachter zu rechnen! Denn die Organlebendspende, insbesondere die Nierenlebendspende, wird öffentlich verharmlosend dargestellt, weil sie politisch gewünscht ist. Daher fehlt es unter den Medizinern häufig am Bewusstsein für die hohen Risiken und die möglichen Folgen einer Organlebendspende, insbesondere für die Langzeitfolgen einer Nierenlebendspende. Es ist mit starkem Misstrauen und Abwehrverhalten der Gutachter zu rechnen. So wird beim Vorliegen des Fatigue-Syndroms in Folge einer Nierenlebendspende zum Beispiel nach depressiven Phasen oder Depressionen des Empfängers vor der Spende ermittelt, um darzulegen, dass es sich um ein „altes Leiden“ handelt, obgleich beide Krankheitsbilder sehr unterschiedlich sind. Die Gutachter werden von der UK bezahlt und diese hat ein großes Interesse daran, möglichst wenig Geld auszugeben. Dies wird in der Öffentlichkeit teils anders dargestellt.

Wenn das Verfahren bei der UK mit einem Ablehnungsbescheid endet und der Widerspruch nicht abhelfen kann, besteht die Möglichkeit zur Klage vor dem für den Wohnort des Spenders zuständige Sozialgericht (SG).

Hinweise
Wir empfehlen sehr deutlich vor der ersten Untersuchung zur Organlebendspende eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Dies ist essentiell, da es sehr häufig zu Gesundheitsschäden durch die Nierenlebendspende kommt.

Wir empfehlen im Schadensfall ausdrücklich einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Dieser sollte Fachanwalt für Sozialrecht sein und im besten Fall zusätzliche Qualifikationen im Versicherungs- und/oder Medizinrecht aufweisen. Aufgrund diverser Erfahrungen unserer Mitglieder können wir eine Vertretung durch einen Sozialverband nicht empfehlen.

Nach Anerkennung des Gesundheitsschadens in Folge der Organlebendspende im Verwaltungs- oder Klageverfahren übernimmt die UK die Behandlungskosten und gewährt gegebenenfalls Verletztengeld und, falls die Erwerbstätigkeit dauerhaft eingeschränkt bleibt, eine lebenslange Unfallrente nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Das Verletztengeld wird bei Vorliegen möglicher eindeutiger Folgen schon vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens gewährt, steht allerdings unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Hinweis
Eine Erwerbsminderung nach einer Spende führt zu dauerhaften finanziellen Einbußen.

Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung (SGB VI)
Neben der Unfallrente kann bei Vorliegen eines dauerhaften Gesundheitsschadens und der beitragsrechtlichen Voraussetzungen eine Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung (DRV) in Betracht kommen.

Hinweise
Das Verfahren ähnelt dem des Unfallkassenverfahrens. Beide Renten können nebeneinander bezogen werden. Es gibt Anrechnungsregeln, die den Betrag der Erwerbsminderungsrente und der Altersrente der DRV eventuell mindern. Trotzdem lohnt es sich bei Vorliegen der Voraussetzungen, beide Renten zu beantragen. Informationen zu den rentenrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente der DRV finden Sie auf der Webseite unter www.deutsche-rentenversicherung.de.

Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht (SGB IX)
Dass der Verlust einer Niere, anders als öffentlich dargestellt, eine körperliche Schädigung ist, drückt sich schon durch die Gewährung eines Grades der Behinderung (GdB) für den Nierenverlust aus. Der Antrag auf einen GdB wird bei der zuständigen Versorgungsverwaltung des Wohnortes des Spenders gestellt.

Hinweis
Für eine verlorene Niere wird ein GdB von 20 bis 30 gewährt.

Kommen nach der Nierenlebendspende weitere gesundheitliche Einschränkungen dazu, wie zum Beispiel eine spendenbedingte Niereninsuffizienz (50 % der Nierenlebendspender in Deutschland sind nach der Spende niereninsuffizient) oder eine chronische Erschöpfung (12 % der Nierenlebendspender in Deutschland leiden länger als zwei Jahre an einem Fatigue-Syndrom, dauerhafte Einschränkungen sind belegt), Depressionen, Narbenhernien, kann dies zu einem höheren GdB führen. Auch andere spendenunabhängige Erkrankungen können angegeben werden, da die Gewährung des GdB ursachenunabhängig ist.

Ein GdB bringt beispielsweise steuerliche Vorteile, eventuell Kündigungsschutz, zusätzliche Urlaubstage, vergünstigte Eintritte in Museen mit sich. Ab einem GdB 50 (Schwerbehinderung) entsteht ein Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn mit 65 Jahren ohne Abschläge und mit 62 Jahren mit Abschlägen.

Organlebendspende im Ausland
Kosten einer Organlebendspende im EU-Ausland an einen deutschen Empfänger werden von dessen Krankenkasse nur übernommen, wenn die Transplantation dem deutschen Transplantationsgesetz entspricht. Voraussetzung ist unter anderem, dass ein Näheverhältnis zwischen Spender und Empfänger vorliegt.

Hinweise
Vor der Ausreise sollte die Kostenübernahmezusage der Krankenkasse des Organempfängers eingeholt werden.

Ist eine Organlebendspende im Ausland für einen ausländischen Empfänger geplant, ist vorher die Übernahme der Behandlungskosten durch die zuständige ausländische Institution schriftlich einzuholen.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass für die Entnahme und Nachbehandlung dieselben Standards gelten wie in Deutschland. Es kann beispielsweise vorkommen, dass der Spender zu früh entlassen wird. Auch können Folgeerkrankungen auftreten, die das Leben stark einschränken. Die deutsche gesetzliche Krankenversicherung trägt die Behandlungskosten. Bei Privatversicherten ist dies zwingend vor der Spende zu klären.

Hinweise
Es besteht bei Organlebendspenden im Ausland kein Versicherungsschutz für Spender bei einer deutschen Berufsgenossenschaft bzw. UK.

Eine Erwerbsminderung nach der Spende im Ausland kann zu erheblichen dauerhaften finanziellen Einbußen führen.

Ralf Zietz / 21.08.2023

Haftungsausschluss
Das Urheberrecht an diesem Text hält der Autor. Die Verbreitung ist nur mit Genehmigung und Nennung des Autors möglich. Anfragen richten Sie bitte an: ralf.zietz@nierenlebendspende.com. Die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. hat ein uneingeschränktes Recht zur Verwendung und Verbreitung.

Alle Angaben unseres Merkblattes zum Versicherungsschutz nach Nierenlebendspende wurden sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns, dieses Informationsangebot aktuell, inhaltlich richtig und vollständig anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist nicht völlig auszuschließen. Eine Garantie für Vollständigkeit, Richtigkeit und letzte Aktualität kann nicht übernommen werden. Die Autoren und die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. übernehmen insbesondere keinerlei Haftung für eventuelle Schäden oder Konsequenzen, die durch die direkte oder indirekte Nutzung des Merkblattes zum Versicherungsschutz nach Nierenlebendspende entstehen. Hinweise und Korrekturen senden Sie bitte an ralf.zietz@nierenlebendspende.com.

Peer-Review: Dipl.-Jur. Nadine Müller, M. mel. (Master of Medicine, Ethics and Law)

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