2023 – Red Flags in the Living Kidney Donor Process
Quelle: Transplant Proc. 2023 Mar;55(2):279-287. doi: 10.1016/j.transproceed.2023.01.008. Epub 2023 Feb 15. 2023
TRANSPLANT PROC. 2023
Rote Flaggen im Nierenlebendspendeprozess
Autoren: Eva Lagging, a,b*, Jonas Wadströmc, Linda Gyllström Krekulaa,b, and Annika Tibella,d
aCenter for Health Care Ethics, LIME, Karolinska Institutet, Stockholm, Sweden; bRegional Donation Center Stockholm-Gotland, Perioperative Medicine and Intensive Care, Karolinska University Hospital, Stockholm, Sweden; cDepartment of Transplantation Surgery, Karolinska University Hospital, Stockholm, Sweden; and dDepartment of Research, Education and Innovation, Karolinska University Hospital, Stockholm, Sweden
Download Studie Deutsch (beglaubigt Übersetzung, im Auftrage der IGN e. V.)
208 Spender angeschrieben, 171 (Antwortrate von 82%, recht gut) haben geantwortet. 39 Fragen, Raum für Kommentare.
Zeitraum über den befragt wurde: Entscheidungsphase bis ein Jahr postoperativ.
Die meisten Spender wurden laparoskopisch operiert.
Kurzzusammenfassung:
Es wurden Ursachen bzw. Warnsignale für ungünstige Ergebnisse bei Nierenlebendspendern nach der Spende gesucht. Als ungünstige Ergebnisse wurden geringere Zufriedenheit, längere körperliche Erholungszeit, langfristige Müdigkeit und längerer Krankenstand definiert.
Folgende 10 Risikofaktoren (red flags) für weniger günstige Ergebnisse bei Spendern wurden identifiziert:
- Postoperativ mehr Müdigkeit als erwartet während des Krankenhausaufenthaltes
- Mehr Schmerzen als erwartet nach der Operation während des Krankenhausaufenthaltes
- Schlechte Korrelation zwischen erwarteten und tatsächlichen Erfahrungen
- Hätte gerne einen Mentor gehabt
- Hatte psychosoziale Bedenken
- Behielt psychosoziale Bedenken für sich
- Fühlte sich unter Druck gesetzt
- Entscheidung zur Spende als schwierig empfunden
- Pflichtgefühl empfunden
- Die Nierenfunktion des Empfängers hat abgenommen
Besonders vier sogenannte “rote Flaggen”, also Risikofaktoren, die ein schlechteres Ergebnis bzw. eine verringerte Zufriedenheit nach der Spende erwarten lassen wurden identifiziert. Neben einer längeren Rekonvaleszenz wiesen diese Risikofaktoren besonders auf lang anhaltende Müdigkeit/Fatigue hin.
- Mehr Müdigkeit als erwartet postoperativ während des Krankenhausaufenthaltes
- Mehr Schmerzen als erwartet nach der Operation während des Krankenhausaufenthaltes
- Schlechte Korrelation zwischen erwarteten und tatsächlichen Erfahrungen
- Hätte gerne einen Mentor gehabt
Als fünften Faktor für lang anhaltende Müdigkeit haben die Autoren das “für sich behalten” von existentiellen Gedanken erkannt.
Siehe auch Tab. 3 in der Studie
Die Ursachen der Fatigue nach einer Nierenlebendspende sehen die Autoren, anders als die meisten Studien bisher, nicht nur im psychischen Bereich, sondern explizit auch im Entzündungsgeschehen nach einer Bauchoperation, zusätzlich befeuert durch den Abfall der Nierenfunktion nach der Entnahme einer Niere. Sie begründen diese Ansicht mit entsprechenden Studien zu Entzündungsgeschehen und Entzündungsparametern nach Bauchoperationen.
Die Autoren fordern einen individuellen Umgang mit den Spendern nach der Spende in Abhängigkeit der sich zeigenden Risikofaktoren. Insbesondere eine längere Rekonvaleszenz für Spender mit diesen Auffälligkeiten.
Dies entspricht der jahrelangen vorgetragenen These der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V.
Abstract (übersetzt)
Hintergrund. Idealerweise sollte kein Lebendnierenspender seine Entscheidung bereuen oder das Gefühl haben, dass er nicht vollständig auf den Prozess vorbereitet ist. Leider ist dies nicht für alle Spender die Realität. Das Ziel unserer Studie ist es, verbesserungswürdige Bereiche zu identifizieren, wobei der Schwerpunkt auf Faktoren (roten Flaggen) liegt, die aus Sicht des Spenders ein weniger günstiges Ergebnis vorhersagen.
Material und Methoden. Insgesamt 171 Lebendnierenspender beantworteten einen Fragebogen mit 24 Multiple-Choice-Fragen und Raum für Kommentare. Als ungünstige Ergebnisse wurden geringere Zufriedenheit, längere körperliche Erholungszeit, langfristige Müdigkeit und längerer Krankenstand definiert.
Ergebnisse. Es wurden zehn rote Flaggen ermittelt. Von diesen Faktoren, nämlich das Erleiden von mehr Müdigkeit (Bereich, P = .000-0.040) oder mehr Schmerzen (Spanne, P = .005-0.008) als erwartet während des Krankenhausaufenthalts (Spanne, P = .001-0.010), Spender, die sich gewünscht hätten, einen früheren Spender als Mentor an die Seite gestellt zu bekommen. (Spanne, P = .008-.040), korrelierten signifikant mit mindestens 3 der 4 ungünstigen Ergebnissen. Ein weiteres wichtiges Warnsignal war das Verschweigen existenzieller Fragen (P = .006).
Schlussfolgerung. Wir haben mehrere Faktoren identifiziert, die darauf hindeuten, dass bei einem Spender ein erhöhtes Risiko für ein ungünstigeres Ergebnis nach der Spende vorliegen kann. Vier dieser Faktoren sind unseres Wissens bisher noch nicht beschrieben worden: mehr frühe Müdigkeit als erwartet, mehr postoperative Schmerzen als erwartet, das Fehlen eines Mentors in einem frühen Stadium und das Verschweigen existenzieller Fragen.
Die Beachtung dieser Warnsignale bereits während des Spendeprozesses könnte den Gesundheitsfachkräften helfen, frühzeitig zu handeln, um ungünstige Ergebnisse zu vermeiden.
Die Studie macht auf Seite 285 wichtige Aussagen zu Fatigue/Müdigkeit nach der Nierenlebendspende:
Müdigkeit während des Krankenhausaufenthaltes
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine höhere postoperative Müdigkeit als erwartet schon während des Krankenhausaufenthalts eine wichtige rote Flagge ist. Dies war der einzige Faktor, der mit einem negativen Ergebnis bei allen 4 Ergebnisparametern korrelierte. Dieses Ergebnis wird unterstützt durch Wirken et al., die außerdem feststellten, dass ein höheres Maß an Müdigkeit bei Studienbeginn ein Risikofaktor für langfristige Müdigkeit nach der Spende ist, was sich wiederum negativ auf die Zufriedenheit auswirkte [6]. Andere Studien haben festgestellt, dass körperliche Beschwerden, die länger andauern, bis eine Rückkehr zu alltäglichen Aktivitäten möglich ist, sich auf die Zufriedenheit auswirken [4,7]. Langanhaltende Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten wurden häufig als psychosomatisch angesehen [8]. Allerdings treten ähnliche Symptome auch bei Patienten auf, die sich einer abdominalen Operation unterzogen, ein Zustand der als eine sogenannte postoperative kognitive Dysfunktion bekannt ist. Die postoperative kognitive Dysfunktion scheint mit der Entzündung und Aktivierung des Immunsystems nach einer Operation zusammenzuhängen und wurde unter anderem bei Empfängern nach Nierentransplantation untersucht, aber bisher nicht bei Lebendnierenspendern [9,10].
Die Verringerung der Nierenfunktion, wenn eine Niere des Lebendspenders entfernt wird, kann die Entzündungsreaktion zusätzlich verstärken [11]. Es kann also mehrere Gründe für die anhaltende Müdigkeit geben. Menschen, die existenzielle Gedanken für sich behalten, haben nachweislich ein höheres Risiko für eine anhaltende Müdigkeit. Hier könnte der Grund eher psychologischer Natur sein [8].
Eine ausgeprägte frühe postoperative Müdigkeit ist daher ein Warnsignal, dass diese Spender möglicherweise mehr Zeit zur Erholung und einen längeren Krankenstand benötigen. Die Vorbereitung der Spender auf unterschiedliche, individuelle Genesungszeiten, ist eine wichtige Aufgabe des Gesundheitswesens.
Wir sind der Meinung, dass die Frage der frühen Ermüdung immer vor der Entlassung aus dem Krankenhaus mit den Spendern besprochen werden sollte.