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Nierenfunktion – Medizinisch

Zusammenfassung:

Der Funktionsverlust durch eine Nierenlebendspende muss in der Medizin genauso gemessen und bewertet werden, wie der Verlust der Nierenfunktion durch eine Nierenerkrankung. Die Definition der „Chronic Kidney Disease“ (CKD), zu Deutsch „Chronische Nierenerkrankung“ erfolgt sowohl über die Filterfunktion, als auch über Eiweißausscheidung (Albuminurie). Ein weiteres Kriterium für eine Nierenerkrankung sind vorhandene strukturelle Abnormitäten.

Ab einer Restfunktion von weniger als 60 ml/min (CKD III) gilt die Nierenfunktion, unabhängig von weiteren Kriterien, also auch ohne Albuminurie und ohne strukturelle Abnormitäten, medizinisch als krank. Die gesundheitlichen Risiken werden als moderat (CKD IIIa, GFR 60 bis 45 ml/min), bzw. hoch (CKD IIIb. GFR 44 bis 30 ml/min) eingestuft. Das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse steigt signifikant an. Zudem zeigen sich erste kognitive und physiologische Ausfall- und Schwächeerscheinungen, insbesondere ab CKD IIIb.

Dies gilt auch für Nierenlebendspender. Spender, deren Funktion nach Nierenverlust unter 60 ml/min liegt, erfahren signifikant höhere Risiken und sind dementsprechend als nierenkrank einzustufen. Die international anerkannten KDIGO-Leitlinien bestätigen dies.

Auch die seitens der Transplantationskliniken häufig anzutreffenden Formulierung einer „stabilen Nierenfunktion“ ändert nichts an der Tatsache, dass viele Nierenlebendspender eine niedrige und mit Krankheitssymptomen und erhöhten Risiken behaftete Nierenfunktion haben.

Herleitung:

Aufgaben der Nieren

Die Aufgaben der Nieren sind vielfältig:

  • sie steuern den Flüssigkeits- und Salzhaushalt des Körpers
  • sie entfernen die Abfallprodukte des Stoffwechsels
  • sie produzieren und aktivieren Hormone (zur Steuerung des Blutdrucks, zur Bildung von roten Blutkörperchen), für den Knochenstoffwechsel
  • es sind noch nicht alle Aufgaben der Nieren wissenschaftlich endgültig geklärt

Der Transport von Flüssigkeit, Salzen und Abfallstoffen in die Niere erfolgt durch das Blut. In den Filterkörperchen der Niere, auch Glomeruli genannt, wird Flüssigkeit mit den Salzen und Abfallprodukten aus dem Blut gefiltert. Große Moleküle, wie z. B. die meisten Eiweißstoffe und die Blutzellen, passen nicht durch die Poren dieses Filters und werden im Blut zurückgehalten.

Nierenschwäche – erste Symptome

Die Blutreinigung ist eine zentrale Aufgabe der Niere. Erkrankungen der Nieren lassen in der Regel die Filtrationsleistung sinken. Je schlechter diese ist, desto stärker sind die Auswirkungen auf den Organismus. Mit sinkender Filterleistung, steigt die „Verunreinigung“ des Blutes. Erste bemerkbare Symptome sind Bluthochdruck (bei ca. 80 % der Nierenkranken), Hypovolämie (Blutvolumenmangel) mit entsprechenden Symptomen wie Blutdruckabfall und kalte, blasse Extremitäten u. v. a., sowie Anämie (Mangel an roten Blutkörperchen, „Hb-Wert“). Letzteres führt zur chronischen Müdigkeit. Zudem steigt das Risiko für kardiovaskuläre Begleiterkrankungen.

Es kommt zu toxischen Ablagerungen im Körper und Gehirn, die die Leistungsfähigkeit mindern. Daher steht eine sinkende Filterleistung der Niere mit schnellerer Ermüdung, Konzentrationsstörungen wie Vergesslichkeit oder Aufmerksamkeitsdefizite im Zusammenhang. Der Zusammenhang von Niereninsuffizienz und Demenzerkrankungen wird wissenschaftlich beschrieben. Quellen berichten, dass pro 15 ml/min Filtrationsverlust eine kognitive Alterung von ca. 3 Jahren zu beobachten ist.

Es kommt aber auch zu Veränderungen in der Steuerung des Flüssigkeits- und Salzhaushaltes. Beobachtet werden bei einer Nierenschwäche zudem ein sinkender Vitamin-D-Spiegel, ein steigende Homocystein und Faktor VIII-Spiegel und ein sinkender Testosteron-Spiegel, letzterer wurde bei Männern festgestellt.

Der Weg zum chronischen Nierenversagen

Die weiteren Folgen sind, je nach Restfilterleistung und Dauer der verringerten Leistung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, migräneartige Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Erschöpfungserscheinungen (auch als „Fatigue in CKD“ bezeichnet) und sinkende Leistungsgrenzen. Depressive Episoden werden in einigen Fällen beobachtet. Im weiteren Verlauf kommt es zu Osteoporose, starker Übelkeit, Schwindelanfälle. Schließlich fällt der nierenkranke Mensch ins Koma und verstirbt, wenn er nicht rechtzeitig eine Nierenersatztherapie oder eine Nierentransplantation erhält.

Diagnose

Um das Fortschreiten der Nierenerkrankung zu beurteilen, wird der sogenannte Kreatinin-Wert im Blut bestimmt. Werte über 1,2 mg/dl gelten als auffällig. Allerdings ist dieser Wert auch von der Muskelmasse des Körpers abhängig, sodass die Werte immer eine Interpretation bedürfen. Der Kreatinin wert steigt jedoch erst signifikant an, wenn die Nierenleistung schon deutlich abgefallen ist. Daher ist es sehr wichtig, parallel den Cystatin C-Wert im Blut zu messen. Cystatin C eignet sich besser als Kreatinin zur Abschätzung einer Nierenunterfunktion im sogenannten „Kreatinin-Blinden-Bereich“. Die Normalwerte im Blut beim Menschen liegen zwischen 0,53 und 0,95 mg/l. Erhöhte Werte deuten auf eine eingeschränkte Filtrationsleistung der Niere/n hin. Die Nierenfunktion (GFR) wird dann über sogenannte Nährungsformeln (z. B. MDRD, CKD-EPI) bestimmt. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, die Nierenfunktion über den 24-Stunden-Sammelurin (Kreatin-Clearance) zu bestimmen.

Die Filterleistung der Nieren wird international in fünf Stadien eingeteilt. Hierbei ist zu beachten, dass es zur Berechnung der Filterleistung verschiedene Ansätze und Formeln gibt, die sich im Ergebnis unterscheiden können. Die Berechnung der Glomerulären Filtrationsrate (GFR) mit der CKD-EPI-Formel hat sich, neben der MDRD-Formel, als die beste Nährungsformel auf Basis des Kreatinin wertes im Blut durchgesetzt. Auch ist die spürbare Auswirkung einer Nierenschwäche individuell unterschiedlich. Dennoch ist die Einteilung zur Abschätzung der Schwere der Funktionsbeeinträchtigung hilfreich.

International anerkannte Kriterien für eine Nierenerkrankung gemäß der aktuellen (Stand 2012) international anerkannten KDIGO-Leitlinien

Eine Nierenerkrankung wird laut den international anerkannten KDIGO-Guidelines wie folgt definiert:

  • Vorhandene strukturelle oder funktionale Abnormitäten (Nierenschäden) der Niere bei einer beliebigen Nierenfunktion für mindestens 3 Monate, gelten per Definition als nierenkrank
  • Eine Nierenfunktion von weniger als 60 ml/min oder Albuminurie von mindestens 30 mg/g für mindestens drei Monate mit oder ohne Nierenschäden, gilt als nierenkrank.

Diese Definition ist auch schon deswegen sinnvoll, weil eine Nierenerkrankung selbst in der Regel nicht bemerkt wird. Aber mit zunehmendem Verlust der Nierenfunktion nehmen die Symptome wie kognitive Einschränkungen, chronische Müdigkeit, kardiovaskuläre Ereignisse, etc. zu. Daher ist es absolut sinnvoll, die Nierenfunktion einer ansonsten gesunden Niere mit einem Wert von weniger als 60 ml/min als Nierenerkrankung zu definieren.

Der Verlust von 15ml/min Filterfunktion führt zu einer kognitiven Alterung von 3 Jahren (Hermann, Grotz, Nephrologe 2013). Daher ist auch schon bei Funktionsverlusten oberhalb der definierten CKD-Grenze mit kognitiven Einschränkungen zu rechnen.

„Sonderfall“ Nierenlebendspender

Die KDIGO-Guidelines äußern sich auf Seite 24 auch zu dem „Sonderfall“ von Nierenlebendspendern, die nach der Spende eine Filterfunktion von weniger als 60 ml/min haben (übersetzt aus dem Englischen):

c) Isolierte Reduktion der GFR ohne weitere Marker von Nierenschaden

Es gibt diverse klinische Umstände, bei denen eine reduzierte Nierenfunktion auf unter 60ml/min auftreten, ohne dass es strukturelle Schädigungen der Niere gibt. Untenstehend sind Beispiele dieser Fälle und die Begründung, warum diese Fälle als CKD eingestuft werden:

  • (…)
  • Nierenspender: Normalerweise haben Spender einen Nierenwert von 70% des präoperativen Wertes, meist zwischen 60-90ml/min. Eine Minderheit der Spender hat einen GFR von unter 60ml/min. Die Prognose dieser Spender verglichen mit den Spendern, die eine höhere GFR haben, wurde nicht genau untersucht. Wie auch bei einer reduzierten Nierenfunktion wegen einer anerkannten Nierenkrankheit, brauchen Spender mit unter 60ml/min ein engmaschigeres Follow-Up für die Anpassung von Medikamenten.“

Mit der Formulierung „…wurde nicht genau untersucht.“ wird die Behauptung, die CKD-Einteilung gelte nicht für Nierenlebendspender im Grunde widerlegt. Statt eines Nachweises, dass diese Einteilung nicht für Spender gilt, wird offiziell bestätigt, dass die Situation bei Nierenlebendspendern, die durch den Verlust an Nierengewebe eine Funktionseinschränkung erleiden, gar nicht bekannt ist.

Im Klartext: Die Transplantationsmedizin greift in gesunde Körper ein, ohne die Folgen zu kennen.

Fazit

Der Funktionsverlust durch eine Nierenlebendspende muss in der Medizin genauso gemessen und bewertet werden, wie der Verlust der Nierenfunktion durch eine Nierenerkrankung. Die Definition der „Chronic Kidney Disease“ (CKD), zu Deutsch „Chronische Nierenerkrankung“ erfolgt sowohl über die Filterfunktion, als auch über Eiweißausscheidung (Albuminurie). Ein weiteres Kriterium für eine Nierenerkrankung sind vorhandene strukturelle Abnormitäten.

Ab einer Restfunktion von weniger als 60 ml/min (CKD III) gilt die Nierenfunktion, unabhängig von weiteren Kriterien, also auch ohne Albuminurie und ohne strukturelle Abnormitäten medizinisch als krank. Die gesundheitlichen Risiken werden als moderat (CKD IIIa, GFR 60 bis 45 ml/min), bzw. hoch (CKD IIIb. GFR 44 bis 30 ml/min) eingestuft. Das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse steigt signifikant an. Zudem zeigen sich erste kognitive und physiologische Ausfall- und Schwächeerscheinungen, insbesondere ab CKD IIIb.

Dies gilt auch für Nierenlebendspender. Spender, deren Funktion nach Nierenverlust unter 60 ml/min liegt, erleiden signifikant höhere Risiken und spürbare Einschränkungen und sind daher definitionsgemäß als nierenkrank einzustufen. Die international anerkannten KDIGO-Leitlinien bestätigen dies.

Auch die seitens der Transplantationskliniken häufig anzutreffenden Formulierung einer „stabilen Nierenfunktion“ ändert nichts an der Tatsache, dass viele Nierenlebendspender eine niedrige und mit Krankheitssymptomen und erhöhten Risiken behaftete Nierenfunktion haben.

(Für Nierenfunktion – medizinrechtlich hier oder oben rechts klicken >)

Bearbeitet: Ralf Zietz, 1. Vorsitzender IGN e. V.

Redaktion: Gisela Müller-Przybysz, 2. Vorsitzende IGN e. V., Christiane Geuer, Vorsitzende Ausschuß gesundheitliche Risiken IGN e. V.

Der Inhalt dieser Seite wurde mit zwei habilitierten Nephrologen und Transplantationsmedizinern durchgesprochen und abgestimmt.

Weitere Informationen zur Nierenfunktion sind z. B. hier zu finden:

www.internisten-im-netz.de

Informationen zu KDIGO (Kidney Disease Improving Global Outcomes): www.kdigo.org

Quellen für Depression auf Grund Energiemangel:

uni-ulm.de, 08.08.2014: Neue biologische Grundlage der Depression entdeckt: „Kraftwerkstörung“ in Zellen als Auslöser für Antriebslosigkeit;
Kristin Filler et al.: Association of mitochondrial dysfunction and fatigue: A review of the literature; BBA Clinical, available online 13 April 2014;
Jana Hroudová et al: Mitochondrial functions in mood disorders; Published: January 23, 2013 under CC BY 3.0 license;
Uschi Eichinger, Kyra Hoffmann-Nachum: Der Burnout-Irrtum, Systemed-Verlag, 2012

Quellen für sinkene Testotesteron-Spiegel bei Niereninsuffizienz:

Park et al., Characteristics of Testosterone Deficiency Syndrome in Men With Chronic Kidney Disease and Male Renal Transplant Recipients: A Cross-Sectional Study, Transplantation Proceedings, 45, 2970e2974 (2013)

Carrero et al., The vulnerable man: impact of testosterone deficiency on the uraemic phenotype, Nephrol Dial Transplant (2012) 27: 4030–4041

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