Scroll Top

Gesundheitliche Voraussetzungen

Download Gesundheitliche Voraussetzungen

Gesundheitliche Voraussetzungen – Empfehlungen

Einleitung

Im Kapitel Risikoaufklärung haben wir die Risiken und möglichen Folgen einer Nierenlebendspende beschrieben. Darauf stützen wir unsere grundsätzliche Empfehlung für ein Mindestalter von 50 Jahren und eine Mindestnierenfunktion (Glomeruläre Filtrationsrate, GFR) von 90 ml/min. Es gibt aber noch weitere bedeutende gesundheitliche Voraussetzungen zur Nierenlebendspende bzw. Vorerkrankungen, die eine Nierenlebendspende ausschließen. Die folgenden Erläuterungen beruhen auf Studien, im Wesentlichen aber auf Erfahrungswerten aus unserer täglichen Vereinsarbeit. Sie sind ergänzend zu den Evaluationsbedingungen der Kliniken zu verstehen. Die endgültige Entscheidung über die gesundheitliche Eignung kann nur im Rahmen der klinisch geführten Vorbereitung erfolgen.

Neben einer klaren Risikoaufklärung ist eine umfassende Evaluation zwingend geboten. Und dies nicht nur in Bezug auf die physische Gesundheit, sondern auch auf psychische Aspekte.

Spenderevaluation

In Ergänzung zu der bisher klinikgeführten Evaluation, dienen folgende Evaluationskriterien der individuellen Einschätzung und kritischen Reflexion der gesundheitlichen und existentiellen Risiken von Nierenlebendspendern durch Hausärzte, beratende Nephrologen/Transplantationsmediziner in enger Zusammenarbeit mit dem Spender.
Die Grundlagen dieser Empfehlungen sind:

  • persönliche Erfahrungen von Nierenlebendspendern
  • vorliegende Studien zu den gesundheitlichen Folgen der Nierenlebendspende
  • persönlich geführte Gespräche mit Ärzten, insbesondere Transplantationsmedizinern
  • medizinische und biologische Zusammenhänge im menschlichen Organismus

Hintergrund unserer konsequenten Empfehlungen ist, dass trotz des oft beklagenswerten Gesundheitszustandes der potentiellen Nierenempfänger zunächst die Gesundheit des gesunden potentiellen Nierenlebendspenders geschützt werden muss. Der Wunsch zu helfen, darf niemals den Blick für die eigene Gesundheit und die hohen Risiken, die ein Nierenlebendspender eingeht, verstellen. Potentielle Nierenempfänger sind, so hart das klingt, bereits krank. Potentielle Nierenlebendspender sind gesund und sollten es auch bleiben, da die Lebendspende ansonsten nicht die Mindeststandards ethischen Handelns erfüllt.

Persönliche Voraussetzungen

  • Mindestalter 50 Jahre. Jüngere Spender leiden unter den spendenbedingten Einschränkungen am häufigsten. Folgeerkrankungen benötigen Jahre bis Jahrzehnte (z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen) um sich zu manifestieren. Daher ist ein höheres Alter auch unter diesem Gesichtspunkt ratsam.
  • Alkohol soll auch schon vor der Spende nur in Maßen genossen werden. Die Alkohltoleranz nimmt mit sinkender Nierenfunktion nach der Spende ab. Alkoholiker sind für die Spende ungeeignet.
  • Raucher sind durch die nach der Spende reduzierte Immunkraft krankheitsanfälliger. Auch haben wir beobachtet, dass Raucher noch stärker als Nichtraucher unter kognitiven Folgen der Spende leiden können. Es wird empfohlen vor der Spende mit dem Rauchen aufzuhören und es dabei zu belassen.
  • Selbstverständlich schließt Drogenabhängigkeit- und/oder Missbrauch eine Nierenlebendspende aus.

Gesundheitlicher Allgemeinzustand

  • Body Mass Index (BMI) nicht über 25. Übergewicht (BMI über 25) oder sogar Adipositas (BMI über 30) erschwert der verbleibenden Niere die Funktion (und verstärkt die häufig beobachtete dauerhafte Fatigue nach der Spende zusätzlich) und erhöht das vorhandene Risiko bei Übergewicht für Bluthochdruck und weitere Übergewichtserkrankungen wie Diabetes.
  • Keine Fettleber (Steatosis hepatis), keine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), auch nicht in Ansätzen. Diese beiden Krankheitsbilder stehen in intensivem Wechselspiel zueinander. Sie fördern die Nephropathie (Nierenerkrankung). Zudem fördert eine Niereninsuffizienz (wie bei 50 % der Nierenlebendspender) z. B. über den möglichen Vitamin-D-Mangel einen Diabetes mellitus. Diese wiederum begünstigt die Entstehung einer Fettleber.
  • Keine Autoimmunerkrankungen, wie z. B. Lupus Erythemathodes oder entzündliche Darmerkrankungen. Durch den Nierenverlust wird möglicherweise eine Immunantwort und damit ein akuter Schub ausgelöst. Die Krankheit kann sich verschlimmern.
    So sind chronische Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Chron) z. B. mit ursächlich für Fetteinlagerungen der Leber. Dies wiederum steht im negativen Wechselspiel mit einer Nierenunterfunktion – auch nach Nierenlebendspende. Vorerkrankte Spender neigen unter sinkender Nierenfunktion zu einer frühzeitigen Entwicklung von Fatigue mit CKD-Symptomen (siehe Risikoaufklärung).
  • Keine sonstigen chronischen Erkrankungen, insbesondere nicht, wenn leber- und/oder nierenschädigende Medikamente eingenommen werden müssen.
  • Familienanamnese (familiäre Vorerkrankungen), Erbkrankheiten. Leidet der potentielle Organempfänger z. B. an Zystennieren, sollte der verwandte Spender das Risiko für sich medizinisch bewerten lassen. Bei Vorliegen dieser Erbkrankheit (z. B. bei der Mutter des Spenders) sollte eine Nierenlebendspende ausgeschlossen werden.
  • Genetisches Profil.
  • Die leistungsfähigere Niere soll unabhängig von anatomischen Besonderheiten immer dem Spender bleiben.
  • Kein Bluthochdruck. Im Vorfeld der Spende 24-Std-Messung mehrmals über mehrere Wochen sowie Selbst-Messung über mehrere Monate.
  • Keine Veranlagung zur Depression, auch keine abgeschlossene Episode. Keine sonstigen psychischen Erkrankungen, auch nicht ausgeheilte. Durch die Spende kann es zu einer Nierenunterfunktion kommen, deren körperliche Folgen zu einer Depression und/oder Angstzuständen führen können.
  • Keine erhöhten Homocysteinwerte (nicht > 10 µmol/l) vor der Spende. Genetische Veranlagung, Übergewicht, Kaffee- oder Alkoholkonsum kann zu erhöhten HCY-Werten führen. Die nach der Spende zu erwartende Nierenschwäche führt zudem regelmäßig zu einer Steigerung des HCY im Blut. HCY steht im Verdacht kardiovaskuläre Erkrankungen zu begünstigen. Dies gilt auch für den Blutwert Faktor VIII. Dieser kann Thrombosen begünstigen.
  • Überprüfung auf Ebstein-Barr- und Cytomegalie-Virus. Das EBV steht im Verdacht das Chronic-Fatigue-Syndrom auszulösen. Die Zusammenhänge sind zwar noch nicht untersucht, aber es kommt häufig zum Fatigue-Syndrom nach einer Nierenlebendspende.
  • Eingehende Untersuchung der Schilddrüsen.
  • Aufzeichnung der Laborwerte des Spenders für einen Vergleich nach der Spende: Veränderungen in der Blutzusammensetzung, Hormonelle Veränderungen, Vitamin- und Mineralstoffprofil, Veränderungen im Stoffwechsel (Zuckerstoffwechsel, Eiweißstoffwechsel, Schilddrüse, Nebenniere, Lipidstoffwechsel).
  • Bestimmung der Tumormarker.
  • Frauen mit Kinderwunsch wird von einer Spende abgeraten. Bei Einnierigkeit steigt die Fehlgeburtenrate.

Nierenfunktion

  • Die Ausgangsnierenfunktion (Glomeruläre Filtrationsrate, GFR) soll mindestes 90 ml/min. betragen. Es ist mit einem Nierenfunktionsverlust von 30 bis 40 % nach der Spende zu rechnen. Es soll unbedingt vermieden werden, dass der GFR nach der Spende unter 60 ml/min. sinkt.
  • Über einen längeren Zeitraum sollte im Vorfeld der Spende regelmäßig die Eiweißausscheidung untersucht werden, um noch nicht erkennbare Glomeruli-Schäden aufzuspüren.

Risiken bei der Transplantatübertragung

  • Grundsätzlich können insbesondere Viren mit der gespendeten Niere auf den/die Empfänger/in übertragen werden. Die Folgen können für den immunsupprimierten Empfänger gravierend sein, insbesondere wenn der Empfänger bislang mit den Viren nicht in Kontakt kam, insofern keine Immunisierung/Immunantwort besteht.
  • Hochrisikokonstellationen, wenn Spender/innen Cytomegalie-Virus (CMV)-Träger und Empfänger/innen bisher keinen Kontakt mit dem Virus hatten, gilt es zu vermeiden. CMV gehört zur Familie der Herpesviridae. Übertragen wird der Virus u. a. durch Transplantation. Das Leitsymptom ist dabei hohes, manchmal wochenlang anhaltendes Fieber mit typischerweise erhöhten Leberwerten. Bei nierentransplantierten Menschen kann eine manifeste CMV-Neuinfektion oder -Reaktivierung zu einer massiven Funktionsverschlechterung und sehr häufig zum Verlust des Transplantates führen.
  • Insbesondere sind Vorerkrankungen innerhalb der Familie abzufragen, ggf. Ausschluss von genetischer Disposition (erforderlichenfalls durch Gentest).

Ralf Zietz / 20.04.2023

Das Urheberrecht an diesem Text hält der Autor. Die Verbreitung ist nur mit Genehmigung und Nennung des Autors möglich. Anfragen bitte an: ralf.zietz@nierenlebendspende.com. Die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. hat ein uneingeschränktes Recht zur Verwendung und Verbreitung.

Privacy Preferences
When you visit our website, it may store information through your browser from specific services, usually in form of cookies. Here you can change your privacy preferences. Please note that blocking some types of cookies may impact your experience on our website and the services we offer.